Beschreibung der Perzentilanalyse
Vorheriges Thema  Nächstes Thema 

Zunächst die technisch- mathematische Erklärung:

Die Perzentile teilen eine Stichprobe entsprechend der Rangfolge ihrer Werte in 100 Teile. Sie werden mit (wobei á = 0.01, ..., 0.99 bezeichnet). Durch die Angabe der á-Werte werden die ursprünglichen Stichprobenwerte auf Werte zwischen 0 und 100 normiert.


Praktische Umsetzung in der Hörakustik:

1. Schritt: Messung des Signals über einen beliebigen, aber ausreichend langen Zeitraum

Abb.: Zeitverlauf des Pegels über 10 Sekunden (das ist eigentlich zu kurz)


2. Schritt: Abschnittsweise Berechnung von FFT’s

Abb.: Es wurden auf das Signal 99 FFT’s berechnet. Jede Kurve (Farbe) repräsentiert eine Frequenz.


Es werden nun FFT Berechnungen durchgeführt, um eine Trennung in die einzelnen Frequenzen zu ermöglichen. Als Ergebnis sehen Sie viele Pegelverlaufslinien, nämlich für jede Frequenz einen eigenen Pegelverlauf.


3. Schritt: Pegel sortieren

Abb.: Exemplarisch 5 Pegelverläufe aufsteigend nach Pegel sortiert.

Nun werden die zuvor gewonnen Pegelverläufe aufsteigend sortiert. Jeweils am Beginn des Diagramms ist der kleinste, am Ende der größte Pegel.


4. Schritt: Prozentuale Auswertung

Abb.: Perzentile


Nun werden die sortierten Pegel prozentual ausgewertet. Das 5%- Perzentil ist der 5%- Wert aus der sortierten Tabelle. Im Diagramm wurden die jeweils gleichen Perzentile in einer Frequenzreihe ausgegeben. Dies zeigt dann die Kurve der z.B. 5%- Perzentile, also den 5%- Wert aus der sortierten Tabelle für alle Frequenzen als 5%- Perzentilkurve.








Die Perzentilanalyse ist ein statistisches Verfahren, das hilft, die Dynamik von Sprache und die Veränderung der Dynamik durch Hörgeräte sichtbar zu machen. Die Perzentile sind besser als andere Berechnungsverfahren geeignet, um mittlere Pegel und Pegelverhältnisse darzustellen. Die Übertragung von Sprache durch das Hörgerät soll optimal an die Restdynamik des Schwerhörigen angepasst werden. Moderne Hörgeräte bieten die Möglichkeiten, die Kompression in vielen Kanälen einzustellen. Leider war es bisher nicht einfach, Regelschwellen, Kompressionsverhältnisse und Regelzeiten so einzustellen, dass Klang, Sprachverstehen und Lautheitsausgleich komfortabel erreicht werden. Diese Lücke soll durch die Perzentilanalyse geschlossen werden. Die Messung kann mit beliebigen Signalen erfolgen. Für eine sinnvolle Messung müssen die Signale allerdings Dynamik, d.h. Pegelschwankungen enthalten. Besonders Sprache eignet sich zum Einstellen von Hörgeräten.

Was passiert bei der Perzentilanalyse?

Um das Hörgerät sicher in den Sprachmodus zu bringen, eignet sich am besten Sprache selbst. Je komplexer und intelligenter die Geräte werden, desto problematischer werden sprachfremde Signale. Entscheidend ist die Dynamik von Sprache. Abbildung 4 zeigt ein Sprachsignal am Eingang und am Ausgang eines Hörgerätes in der Zeitdarstellung. Eine Veränderung der Dynamik durch das Hörgerät ist erkennbar, aber nicht näher zu bestimmen.

Abbildung 4 : Zeitdiagramm von Sprache (1,4 Sekunden) am Ausgang des Hörgerätes (oben) und am Eingang (unten)


Für die Perzentilanalyse wird die Sprache als Pegelverlauf dargestellt und in Zeitabschnitte eingeteilt (Abbildung 5). Der Pegel wird z.B. über jeweils 20ms gemessen und gespeichert.

Eine Messperiode der Perzentilanalyse besteht z.B. aus 100 Zeitabschnitten, die nach der Größe des Pegels sortiert werden (Abbildung 6). Die Gesamtzahl der Messungen entspricht 100%.

Die 100 Zeitabschnitte ergeben also 100 Prozente, denen jeweils ein gemessener Pegel zugeordnet ist. Diese Prozent-Pegelwert-Kombinationen werden Perzentile genannt. Aus diesen Perzentilen können der Median bei 50% und die Quartile bei 25% und 75% entnommen werden. Da im unteren und im oberen Perzentilbereich meist Störungen auftreten, ist es sinnvoll die 5, 25, 50, 75 und 95 % Perzentile zu betrachten. Um eine frequenzgenaue Aussage zu bekommen wird auf jeden Zeitabschnitt eine FFT gerechnet und die Perzentile in Barkbändern angezeigt.

Abbildung 5 : Einteilung des Pegelverlaufs in Zeitabschnitte


Abbildung 6 : Messwerte der Zeitabschnitte werden nach der Größe der Pegel sortiert

Darstellung der Perzentilanalyse

Die Perzentilanalyse in Abbildung 7 wird in zwei Diagrammen angezeigt. Das linke Diagramm zeigt die Eingangssignale, die vom Referenzmikrofon aufgenommen werden, das rechte die Ausgangssignale, die vom Messmikrofon aufgezeichnet werden. Die Messung kann sowohl in der Messbox oder auch Insitu durchgeführt werden. Es sind jeweils drei Kurven in der Farbe der Ohrseite, die gerade gemessen wird, zu sehen. Dies sind im linken Diagramm die Hörschwelle, der Pegel angenehmen Hörens (MCL) und die Unbehaglichkeitsschwelle (US) eines Normalhörenden. Im rechten Diagramm sind diese Schwellen des Schwerhörigen aufgrund des individuellen Tonaudiogramms dargestellt. Die gebogene Form der Kurven der Normalreferenz und des eingegebenen Audiogramms des Kunden kommt durch die Umrechnung der Tonaudiogrammpegel von dB-HL in dB-SPL aufgrund der Isophonen gleicher Lautheit zustande.

Während der Messung entstehen in jedem Diagramm 21 farbig gestreifte Balken. Sie stellen die verschiedenen Frequenzbereich - die Bark-Bänder – des Signals dar. Die vier farbigen Streifen der Balken stehen für die Pegelanteile des Messsignals: sehr leise, mittel leise, mittel laut und sehr laut. Das Eingangsdiagramm dient der Orientierung, wo sich das ursprüngliche Signal befindet.

Zum Beispiel verlaufen die Balken im Eingang von Abb. 7 knapp unter der MCL und überschreiten sie teilweise. Die Lage der Balken zur MCL kann man nutzen, um die Balken im Ausgang ebenso der MCL des Schwerhörigen anzupassen. Verlaufen Balkenbereiche unterhalb der HS, können die enthaltenen Signalanteile vom Schwerhörigen nicht gehört werden. Anteile, die oberhalb der US liegen, sind zu laut.

bb.7: Perzentilanalyse mit Sprache bei einem Gesamteingangspegel von 65 dB


Es können nicht alle Teile in den hörbaren Bereich verstärkt werden, weil heutige Hörgeräte oberhalb von 5 kHz kaum Ausgangsleistung haben (Abb. 8).

Liegen in einigen Bereichen die Hörschwelle und U-Schwelle des Schwerhörigen dicht beisammen, kann es vorkommen, dass Perzentilbalken zu lang sind (Abb. 9). Die Balken müssen dann durch dynamische Kompression verkürzt werden, wobei die dynamische Kompression im Hörgerät durch kürzere Regelzeiten, Kompressionsverhältnis und Regelschwelle eingestellt wird. Das Verhältnis zwischen der Länge der Balken im Eingang und im Ausgang wird durch die Zahlen über bzw. unter den Balken angegeben. Wird die Dynamik komprimiert, werden die Zahlen größer eins (Abb.10).

Abb. 8: Perzentile im Hochtonbereich zeigen geringe Ausgangsleistung des Hörgeräts

Abb. 9: Restdynamik kleiner als Sprachdynamik,             Abb. 10: Sprachdynamik komprimiert

Dynamikanpassung durch Perzentilanalyse

Hörgeräte lassen sich mit dem folgenden Vorgehen für die Anpassung einstellen: Zunächst sollte mit normal lauter Sprache (65 dB Eingangsgesamtpegel) das Hörgerät entsprechend des Verlaufs an der MCL des Normalhörenden eingestellt werden. Je nach Restdynamik ist in diesem Schritt schon das Einstellen einer dynamischen Kompression notwendig (Abb. 11).

Abb. 11: Sprache mit 65 dB in der Perzentilanalyse


Neben der angenehmen Lautstärke soll auch leise Sprache verstanden werden. Deshalb wird Sprache im nächsten Schritt Sprache mit 50 oder 55 dB eingestellt (Abb. 12). Auch diese Balken sollten alle oberhalb der Hörschwelle liegen. In Frequenzbereichen, bei denen Balkenanteile unterhalb der Schwelle liegen, muss die Verstärkung erhöht werden. Die ganz hohen Frequenzen ab ca. 5 kHz, bei denen die Leistung der meisten Hörgeräte bisher nicht ausreicht, können erfahrungsgemäß leider nicht genügend verstärkt werden.

Abb.12: Perzentilanalyse mit leiser Sprache


Laute Sprache soll deutlich aber nicht zu laut gehört werden. Bei Sprache mit einem Eingangspegel von 80 dB dürfen keine Balkenanteile oberhalb der Unbehaglichkeitsschwelle liegen. Frequenzbereiche, die zu laut sind, können durch stärkere Kompression oder durch Herabsetzten der MPO reduziert werden (Abb.13).


Abb.13: Perzentilanalyse mit lauter Sprache



Abb. 14: Perzentilanalyse mit Gewitter


Das Verhalten des Hörgeräts bei anderen Signalen kann ebenfalls überprüft werden. Für die Toleranz lauter Pegel ist zum Beispiel das impulshafte Signal „Gewitter“ interessant (Abb. 14). Zusätzlich können für die Messung Signale verwendet werden, die für den individuellen Kunden wichtig sind.


Zusammenfassung und Resümee:

Die Perzentilanalyse zeigt gleichermaßen die statischen und dynamischen Parameter moderner Hörsysteme. Darüber hinaus kann die Perzentilanalyse für alle Arten von Messsignalen verwendet werden. Gerade und vor allem auch für natürliche Signale wie z.B. Sprache oder Geräusche.

Sie ist deshalb zur Messung und Anpassung von Hörsystemen geeignet und ist ein Meilenstein in der Hörgerätemessung und Anpassung. , nämlich für jede Frequenz einen eigenen Pegelverlauf.