Psychoakustik - Einleitung
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In der Lasche Psychoakustik werden zwei verschiedene Verfahren zusammengefasst:

Rauschimpulsaudiometrie

Lautheitsskalierung

Beide Verfahren dienen dazu den Lautheitseindruck des Schwerhörigen zu messen.

Die RI-Audiometrie (Rauschimpulsaudiometrie) ist ein altes Verfahren, das Ende der 70er Jahre vorgestellt wurde. Die Lautheitsskalierung von Prof. Heller wurde ebenfalls um diese Zeit entwickelt, aber erst später in den Kreisen der Hörgeräte Akustiker bekannt.

Während die RI-Audiometrie sehr geziehlt zum Voreinstellen und Optimieren von Hörgeräten vorgesehen war, ist die Skalierung ein universelles Mittel der Lautheitsmessung. Die RI-Audiometrie bezieht immer das Hörgerät mit ein, die Saklierung kann mit oder ohne Hörgerät gemacht werden.

Obwohl die RI Audiometrie kaum noch Bedeutung hat, wurde sie in ACAM integriert, weil sie schneller zu handhaben ist und zur Einstellung von Hörgeräten geauso gut geeignet ist.

Bei beiden Verfahren können nach erfolgter Messung des Kunden Zielwerte gewonnen werden, die dann in der Messbox und / oder Insitu (je nach Verfahren) verwendet werden können, um Hörgeräte einzustellen.


Messmodus, Editiermodus und Zielwertemodus:

Je nach Anwahl der drei Buttons: Eing. (=Eingabe), Start (=Messmodus) und Ziel (=Zielwertemodus) werden unterschiedliche Bildschirmdarstellungen und Bedienfunktionen aktiviert_

Eing. ist gedrückt:

Sie befinden sich im Editiermodus. Sie können Kurven mittels Maus eingeben, indem Sie in das Fomular hineinklicken.

Start ist gedrückt:

Sie bedinden sich im Messmodus. Je nach Einstellung im Setup können einzelne Messwerte angesteuert werden, oder es können Messreihen angewählt / ausgelöst werden.

Ziel ist gedrückt:

Aus den Messungen können Zielwerte zur Weiterverarbeitung gewonnen werden. Meist sind dies Zielwerte zur Hörgeräte Einstellung. Diese werte werden hier angezeigt.


Nähere Informationen in den Kapiteln:Ri-Audiometrie und Skalierung.


Hintergrundinformationen zur Skalierung und zur RI-Audiometrie:


Abb.:Hörfeld 1000 Hz mit der “Normal” Funktion .

Diese Lautheitsfunktion wurde statistisch an Normalhörenden ermittelt.

Das Ziel unserer Hörfeldaudiometrie (AHA!=Acousticon Hörfeld Audiometrie) ist es, die individuelle Funktion so zu rehabilitieren, daß diese wieder mit der Funktion des Normalhörenden deckungsgleich verläuft !

Aus der Differenz zwischen der Funktion des Normalhörenden und der Funktion der Testperson kann direkt auf den Verstärkungsbedarf des Hörgerätes geschlossen werden! In der AHA! stehen dazu verschiedene Hilfsfunktionen zur Verfügung.


Abb.:Hörfelder mit den “Normal” Funktionen (grün) und den individuellen Lautheitsfunktionen (rot).

Abb.: Ermittlung der Differenzen (=Abstand zwischen individueller Funktion und Funktion des Normalhörenden).


Die Umrechnung des Verstärkungsbedarfs aus den Hörfeldern sollen die beiden obigen Grafiken erläutern.

Der Abstand der individuell ermittelten Kurve zum Normalhörenden = Verstärkung !

Diese Verstärkung kann (wie in diesem Beispiel) für die unterschiedlichen Eingangslautstärken unterschiedlich sein.

Obiges Beispiel zeigt für geringe Lautstärken einen hohen Verstärkungsbedarf, der mit zunehmender Eingangslautstärke abnimmt. Die ermittelten individuellen Hörfelddaten sind jedoch immer die Datenbasis für die spätere Umrechnung in den Verstärkungsbedarf.


Grundsätzlich ist die Hörfeldaudiometrie mit oder ohne Hörgerät möglich. Wenn Sie die Hörfeldaudiometrie mit Hörgerät durchführen, geben Ihnen die obigen Diagramme eine relative Veränderung der Verstärkung, wenn Sie sie ohne Hörgerät machen die absolute Angabe des Verstärkungsbedarfs an.

Ohne Hörgerät(e) können Sie den Insitu-Verstärkungsbedarf direkt aus den Zielkonstruktionen ablesen und diese in das ACAM übernehmen, um dort zu versuchen die Zielkonstruktionen direkt umzusetzen.

Wenn Sie die AHA! mit Hörgeräten durchgeführt haben, dann sind die Umrechnungen in die Zielkonstruktionen und die im ACAM abgebildeten Zielverstärkungen von untergeordneter Bedeutung, da die Hörfelddaten mit einer Verstärkung am Ohr ermittelt wurden und diese (zur Zeit noch nicht) in die ermittelten Zielkonstruktionen eingehen.

Bitte beachten Sie deshalb, daß die Hörfelddaten, die Sie mit Hörgerät ermittelt haben, immer auf einer (unbekannten) Verstärkung am Ohr beruhen, die bei der Umrechnung der LE-LA Daten und der Frequenzkorrekturen nicht berücksichtigt werden können. Erst wenn Sie die tatsächlichen Verstärkungen am Ohr (Insitu) messen, kann das System die relativen Daten diesen tatsächlichen Verstärkungen hinzurechnen, um so die neuen Zielkonstruktionen daraus zu errechnen.

Am Beispiel der RI Audiometrie soll das nochmals erläutert werden:

Abb.: Rauschimpulsdiagramm mit Hörgerät.

Zunächst wird der Bereich des angenehmen Hörens ermittelt (mit Hörgerät).

Dann wird das Hörgerät (in der Einstellung in der zuvor die RI-Audiometrie gemacht wurde) vom Ohr genommen und in die Messbox gelegt. Die Verstärkung des Hörgeräte wird gemessen und mit den in der RI-Audiometrie ermittelten Differenzen (zum Normalhörenden) korrigiert. Daraus wird eine neue Zielkonstruktion gebildet!



Abb.: Aus dem Rauschimpulsdiagramm errechnete neue Zielkonstruktion.

Rote Kurve : Ist Zustand des Hörgerätes

Rosa Kurve : Soll Zustand des Hörgerätes (=Ist Zustand mit den zuvor ermittelten Differenzen aus der RI korrigierten Kurve).

Die Umrechnungen erfolgen genau wie es in der Hörfeldaudiometrie der Fall ist (nur die Darstellungsform ist anders). Es interessiert auch hier nur die Abweichung zum Normalhörenden (in diesem Fall zu 65dB)!

Abb.: Errechnung des Verstärkungsbedarfs.


Übertragung dieses Verstärkungsbedarfs und Errechnung der neuen Zielkonstruktion.

Diese Umrechnung von Empfindungen in reelle Übertragungskurven unter Berücksichtigung der Verstärkungen am Ohr sind natürlich auch bei der Hörfeldaudiometrie sinnvoll.

Im Unterschied zur Rauschimpulsaudiometrie genügt bei der Hörfeldaudiometrie aber nicht eine Zielkonstruktion sondern es müssen eine ganze Reihe von Funktionen sein.



Allgemeines zu Hörfeldaudiometrie:

Schon seit der ersten Hörgeräteversorgung mit modernen Mitteln hat man nach Möglichkeiten gesucht, um die Akzeptanz, Qualität  und Effizienz der Anpassung zu optimieren. Dabei wurden ganz unterschiedliche Wege beschritten.

Zum einen wurde (mit beachtlichen Erfolgen) versucht die Statistik zum Wohl des Hörbehinderten zu nutzen. Wenn man nämlich die Hörgeräteträger nimmt, die zufriedenstellend mit Hörgerät versorgt sind und deren Hörschwelle ins Verhältnis zur Hörgeräte Verstärkung setzt, dann kommt man zu Umrechnungsformeln.

Diese Umrechnungsformeln funktionieren dann auch umgekehrt. Man kann also vom Tonschwellenaudiogramm auf den Verstärkungsbedarf des Hörgerätes umrechnen. Und die Praxis hat gezeigt, daß das auch in vielen Fällen zu recht guten Ergebnissen führt. Aber leider nicht immer ! In vielen Fällen macht das Gehör der Statistik einen Strich durch die Rechnung! In der Praxis hat dann vor allem das Gespür und die Erfahrung des Hörgeräte Akustikers den endgültigen Erfolg der Anpassung ausgemacht ! Diese statistischen Verfahren haben Ihren festen Platz in der Hörgeräte Versorgung erobert. Doch wir meinen, daß dies jetzt und in der Zukunft nicht der optimale Weg der Hörgeräte Versorgung ist.

Ein weiteres Verfahren, dessen Ursprünge auch schon weit zurück liegen, zeichnet sich durch einige vorteilhafte Eigenschaften ab. Es sind die Verfahren, die das Hörempfinden in den Vordergrund der Überlegungen stellen. Solche psychoakustischen Messungen sind in der Hörgeräte-Akustik erstmals in den 70´er Jahren mit Erfolg angewendet worden. Ein allseits bekannter Vertreter dieser Gattung ist die heute noch aktuelle Rauschimpulsaudiometrie. Auch die INSITU Audiometrie fällt in diese Kategorie. Diese beiden Verfahren wurden entwickelt, um den Bereich des angenehmen Hörens zu messen. Dies hat gegenüber den statistischen Verfahren erhebliche Vorteile, da sie genaue Informationen über den Bereich geben, in dem später das Hörgerät arbeiten soll.

Doch es hat sich gezeigt, daß der Bereich des angenehmen Hörens zwar sehr wichtig ist, aber darüber hinaus eine ganze Reihe anderer Hörempfindungen dafür verantwortlich sind, ob letztlich mit dem Hörgerät gut verstanden wird und die Akzeptanz optimal ist.

Vor allem moderne Hörgeräte Technik mit einer Vielzahl von Möglichkeiten fordert ein weitergehendes Messverfahren geradezu heraus.

Der herausragende Vorteil der Hörfeldaudiometrie ist, daß nicht nur der Bereich des angenehmen Hörens ermittelt wird, sondern die darüber und darunter liegenden Bereiche in gleichem Maße.

Während Sie sonst als Ergebnis nur eine Zielkonstruktion für einen Eingangsschalldruck erhalten, so ermitteln Sie bei der Hörfeldaudiometrie eine Reihe von Zielkonstruktionen. Dieser “Satz” Zielkurven ermöglicht Ihnen eine erheblich exaktere Aussage über das Hörempfinden und zwar über die gesamte Hörfläche.

Man könnte auch vereinfachend sagen, daß Rauschimpulsaudiometrie und Insituaudiometrie einen Teil der Hörfeldaudiometrie darstellen (sozusagen aus jedem Hörfeld den mittleren Wert herausgreiffen).

Abb.: ISO226

Allen Messverfahren liegt eine Norm zugrunde. Die ISO 226. Die Kurven gleicher Lautheit stellen den Zusammenhang zwischen Hörempfinden und absolutem Schalldruckpegel dar.  Anhand der obigen Darstellung ist gut zu erkennen, daß diese Kurven zum einen nicht linear verlaufen, das heißt daß für die unterschiedlichen Frequenzen andere Schalldruckpegel benötigt werden, um gleich laut gehört zu werden.

Außerdem ist der Abstand von Linie zu Linie nicht konstant. Das Eingangs-Ausgangs Verhalten des Gehörs ist also nicht linear. Um zum Beispiel von der 60 Phon Linie zur 70 Phon Linie zu wechseln sind nur bei 1000 Hz tatsächlich 10 dB SPL nötig. Für alle anderen Frequenzen sind andere Pegel nötig um ein 10 Phon lauteres Empfinden zu verursachen! Das Gehör ist also sowohl in der Frequenz- als auch in der Pegelebene nicht linear.

Aus der ISO 226 hat zum Beispiel  Prof. Keller seine 2/3 zu 1/3 Regel abgeleitet (das Verhältnis von Hörschelle zu der 60 Phon Linie Beziehungsweise von der 60 Phon Linie zur Unbehaglichkeit) und hat aus diesem Zusammenhang das Isophonen Differenzmaß gebildet.

Psychoakustische Verfahren wie die Hörfeldaudiometrie, die RI-Audiometrie oder die Insituaudiometrie versuchen nun die Isophone des Schwerhörigen zu messen.  Als Ergebnis wird bei allen Verfahren ein Vergleich mit dem Normalhörenden durchgeführt, um dann in einem weiteren Schritt diese Kurven so zu verändern, daß sie möglichst wieder denen des Normalhörenden entsprechen.

Die ISO 226 wurde ermittelt, indem die Probanden Vergleichstöne angeboten bekamen.

Es wurde ermittelt,  wann der Vergleichston gleichlaut wie 1000 Hz war.

Die Aufgabenstellung bei der Hörfeldaudiometrie ist aber etwas anders. Hier wird ein Signal angeboten, das auf einer Skala eingeordnet werden soll. Dabei soll der Vergleich zu einem Bezugssignal bewußt vermieden werden.  Ein Vergleich mit einem zuvor angebotenen Signal würde nämlich das Ergebnis beeinflussen.

Der Zusammenhang zur ISO 226 ist zwar vorhanden, muß aber nicht aufs dB genau nachvollziehbar sein.

Da sich die Hörfelder aus der ISO 226 nicht zweifelsfrei herleiten lassen, wurden diese Kurven neu ermittelt. Im Fall der AHA wurden sie mit Schmalbandrauschen (1/3 Oktave breite) aufgenommen. Die Testperson muß auf einer Skala von 0 bis 50 angeben wie laut sie das Testsignal gehört hat. Dieses kategoriale Unterteilungsverfahren kann man im Prinzip für jede menschliche Empfindung angeben nicht nur für Lautstärke (es existieren Normskalen für alle möglichen Empfindungen).

Im Fall der Hörfeldaudiometrie wird also die Einzelleistung “Lautheit” ermittelt.

Diese Lautheit (oder das Lautstärkeempfinden) muß die Testperson auf einer Skala zwischen 0 - 50 zuordnen.

Wesentlich für die spätere Auswertung der gemessenen Empfindungskurven ist , daß die Kurven, die mit der Testperson ermittelt wurden, unter den gleichen Bedingungen ermittelt wurden, wie die Kurven der Normalhörenden (denn diese sollen ja dann verglichen werden).


Stellvertretend für die vielen exzellenten Veröffentlichungen zur Lautheitsskalierung folgt eine Arbeit aus 1996 die die Grundlage zu AHA darstellt. Viele Merkmale der AHA haben in den Arbeiten dieses Instituts ihre Wurzeln




Es folgt :

Originaltext aus Abschlußbericht

Projektbereich Hilfen für Hörgeschädigte

Projektleiter :        Prof. Dr. Otto Heller

Mitarbeiter :        Dr. Michael Boretzki,

Dr. Wolfram Knoblach

Dr. Theo Nowak

Dipl.-Psych. .Elmar Fichtl

Dipl.-Psych.  Armin Stock

Dipl.-Psych.  Birgit May,


Psychologisches Institut, Universität Würzburg,

Lehrstuhl III

Rüntgenring 11

97070 Würzburg




II - 11 Hörfeldaudiometrische Lautheitsfunktionen normalhöriger Probanden

Michael Boretzki, Wolfram Knoblach, Elmar Fichtl, Armin Stock, Birgit May, Otto Heller Psychologisches Institut, Universität Würzburg, Lehrstuhl III


II - 11.1 Skalierungstechnik Die Hörfeldaudiometrie ist ein von Heller und Mitarbeitern (Heller 1982, 1985, 1991, Hellbrück & Moser 1985) entwickeltes audiometrisches Verfahren, das den Lautheitsverlust im überschwelligen Hörfeld - aufgespannt durch Frequenz und Schallpegel oder phänomenal:

durch Tonhöhe und Lautheit - quantifiziert, um ein Gehör pegel- und frequenzspezifisch zu beschreiben. Der Proband (Pb) skaliert die Lautheit von schmalbandigen Geräuschen, die in Pegel und Frequenz das Hörfeld abdecken, anhand des Kategorienunterteilungsverfahrens (KU-Verfahren, Heller, 1985). Jedes Geräusch wird nach der ersten Darbietung als "sehr leise " , "leise " , "mittel " , "laut" oder "sehr laut" kategorisiert, nach der zweiten Darbietung in seiner Lautheit anhand derjenigen Zahl der jeder Kategorie zugeordneten Dekade eingestuft, die die Lautheitswahrnehmung am besten trifft. Die Zweistufigkeit des KU-Verfahrens bietet einerseits eine hohe Auflösung der Lautheitsdimension, berücksichtigt andererseits, daß ein ungeübter Pb nur eine geringe Zahl von Kategorien für erlebte Ausprägungen einer Eigenschaft überblicken kann. Das KU-Verfahren spiegelt in seinem Aufbau (Symmetrie, Äquidistanz der kategorialen Bereiche, Auflösung der Dimension) die Struktur des Bezugssystems wieder, als dessen Leistung die Fähigkeit zur absoluten Beschreibung einer Eigenschaft verstanden wird (Witte, 1960, 1966, 1975). Neben dieser Isomorphie des Beschreibungsinstruments und der zu beschreibenden Gegenstände - diese Forderung schließt ein, , daß die Eigenschafts- (Lautheits-) ausprägungen, die auf der Skala stehen, auch tatsächlich geboten werden (s.u.) - sind zwei weitere Bestandteile der Meßvorschrift wesentliche Voraussetzungen für adäquate Wahrnehmungsbeschreibungen (Heller 1985): Der Pb muß über die Lautheitsmannigfaltigkeit orientiert sein, und er muß extraspektiv instruiert werden. Deshalb wird dem Pb zu Beginn der Hörfeldaudiometrie eine Reihe von Geräuschen geboten, die von "sehr leise" bis "sehr laut" variieren, anhand derer sich der Pb versichert, daß er mit Lautheitsausprägungen vertraut ist. Zudem fragt der V ersuchsleiter (Vl) bei den einzelnen Testgeräuschen danach, "wie laut das Geräusch ist" (normalhöriger Pb) bzw. "wie laut der Pb das Geräusch hört" (schwerhöriger Pb), nicht etwa, wie laut das Geräusch auf diesen wirke, oder wie laut dieser das Geräusch einschätze. Die Begriffe "wirken" bzw. "einschätzen" legen eine introspektive Haltung nahe. Der Pb soll aber beschreiben, nicht über Beschreibung oder Erleben reflektieren.

Die einleitende Lautheitsorientierung darf nicht als Training instruiert werden, in dem der Pb zu lernen habe, was im Versuch als laut und leise gelte. Würde der Pb so in die hörfeldaudiometrische Sitzung eingeführt, dann hätte die Orientierungsphase ihr Ziel völlig verfehlt. Sie würde im Gegenteil der Neuorientierung an der gebotenen Serie (Skalierungsartefakt bei Wahrnehmungsmessungen, , s.u.) statt der Aktualisierung der Lautheitsgrade, die unser Gehör zwischen "eben hörbar" und "schmerzhaft laut" bietet, Vorschub leisten. Die erforderliche Versuchshaltung läßt sich herzustellen, wenn man den Pb vor der Darbietung der orientierenden Geräusche instruiert, daß er jetzt Gelegenheit erhalte, sich zu vergewissern, daß er sich mit "sehr leise", "leise", "mittel", "laut", "sehr laut" auskenne.

Die Reihenfolge der Testgeräusche wird in Pegel und Frequenz so gewählt, daß die Lautheiten und Tonhöhen in kurzen Zyklen den gesamten Bereich zwischen den Ausprägungsextremen überstreichen. Dies beugt während der Lautheitseinstufungen dem genannten Effekt vor, daß der Pb sich an einem artifiziellen Lautheitsausschnitt neuorientiert (Ausschnitt-Effekt, Parducci & Perrett 1971)), was eine Verzerrung der Lautheitseinstufungen zur Folge hätte. Der Aussschnitt-Effekt wird verstärkt, wenn eine Durchmischung der Frequenzen bei der Geräuschabfolge fehlt (Fichtl, 1996). Die Pegeluntergrenze für die Testgeräusche ergibt sich aus der Hörschwelle, die vor den Lautheitseinstufungen bestimmt wurde. Die Obergrenze ist beim normalhörigen Pb durch die Normlautheitsfunktionen (s.u.) gegeben. Beim schwerhörigen Pb gestaltet der Vl die Pegelfolge adaptiv anhand der bisherigen Einstufungen, um einer Ausschnittorientierung zuvorzukommen.

Ziel der vorgeschlagenen Skalierungstechnik ist die monaurale Untersuchung eines einzelnen normal- oder schwerhörigen Pb auf Übereinstimmung bzw. Abweichung von der monauralen Normfunktion bei minimalem variablem (Reliabilitätskriterium) und systematischem Fehler (Validitätskriterium).


II - 11.2 Apparatur und Reproduzierbarkeit des Schallfelds Die Testgeräusche (im 10%-Band mit einer Umschaltrate von 100/s stochastisch frequenzmodulierte Sinustöne (SFMS), Dauer. 1.5s, 100ms Ein- und Ausblendzeit) werden über einen offenen Kopfhörer (Jecklin Float Model 2 oder AKG K 1000) geboten, so daß die frequenzspezifischen Lautheitsfunktionen (Zusammenhang von wahrgenommener Lautheit und Schallpegel) monaural bestimmt werden können. Der Aufbau des Kopfhörers AKG K 1 000 gestattet überdies die monaurale Lautheitsmessung mit Hörgerät. Bei deutlich asymmetrischem Gehör wird eine Variante des K 1 000 verwendet, die contralateral eine geschlossene Kapsel aufweist. Die Entzerrungsfunktionen für beide Kopfhörer wurden anhand von Messungen des Gehöreingangsschallpegels bei Lautsprecher- und Kopfhörerdarbietung von weißem Rauschen an zwölf Pbn bestimmt.

Die Messungen an den zwölf Pbn ergaben, daß bei wiederholtem Aufsetzen des Kopfhörers der K 1000-Hörer frequenzabhängig ähnlich geringe intraindividuelle (auf einen Kopf bezogen) Schalldruckstreuungen aufweist wie die Lautsprecherbeschallung (um 0.5 dB zwischen 100 Hz und 4 kHz). Der Jecklin-Hörer zeigte höhere Intra-Streuungen (ca. 1.5 dB im genannten Frequenzbereich). Im Frequenzbereich über 4 kHz treten bei Kopfhörer- wie bei Lautsprecherbeschallung Intra-Pegel-Streuungen bis zu 4 dB am Gehörgangseingang auf. Ähnliche Relationen sind für die höheren frequenzabhängig erfaßten interindividuellen Streuungen der Gehöreingangspegel festzustellen. Bis 4 kHz liegt der K 1000-Hörer gleichmäßig bei 1.5 dB, die Freifeldbeschallung zeigt bis 1 kHz etwas niedrigere Werte, weist aber um 2 kHz bis zu 4 dB Streuung auf. Knapp über 2 dB interindividuelle Streuung sind beim Jecklin-Hörer zu finden. Zwischen 4 und 10 kHz zeigt die Lautsprecher-Beschallung Inter-Streuungen bis zu 6 dB, der K 1000-Hörer bis zu 7 dB, liegt aber bis 6 kHz unter der Freifeld-Inter-Streuung.

Beim Jecklin-Hörer erreichen die Streuungen 8 dB. Dies bedeutet, daß der K1000-Hörer die gleiche Schallfeldreproduzierbarkeit aufweist wie die Freifeldbeschallung. Im Bereich zwischen 1 und 5 kHz zeigt der K1000 sogar bessere Werte, da die interindividuelle Varianz der Schalldiffraktion am Kopf wegfällt. Der Jecklin-Hörer zeigt diesen Vorteil ebenfalls, streut aber interindividuell in den übrigen Frequenzbereichen etwas mehr als die Freifeldbeschallung.

Die hörfeldaudiometrische Untersuchung wird in einem schallarmen Raum durchgeführt. Die Terzpegel des akustischen Hintergrunds liegen im Meßbereich (100 Hz bis 10 kHz) zwischen 1 0 und 20 dB SPL.


II - 11.3 Gewinnung der monauralen Normlautheitsfunktionen

Auf der DAGA 1994 (Boretzki et al. 1994) berichteten wir über Reliabilität (Test-RetestMessungen an normal- und schwerhörigen Pbn) und Validität des Verfahrens (Vergleich individuell im adaptiven Konstanzverfahren bestimmter Isophonen und hörfeldaudiometrisch ermittelter Isophonen zu den Lautheiten "leise" und "mittel"). Der folgende Beitrag stellt die Ergebnisse von Untersuchungen dar, die zur Gewinnung von Normlautheitsfunktionen durchgeführt wurden.

Als Pbn arbeiteten 93 Studenten im Alter zwischen 18 und 25 Jahren mit. Ein Teil der Pbn (Stichprobe 1) hörte die Testgeräusche über den Jecklin-Hörer (14 Männer, 29 Frauen), ein Teil (Stichprobe 2) über den K 1000-Hörer (19 Männer, 31 Frauen). An der Stichprobe 1 wurden die 18 Testfrequenzen (Mittenfrequenzen der SFMS-Töne) .1, .16, .25, .35, .5, .71, 1, 1.4, 2, 2.45, 3, 3.45, 4, 4.9, 6, 7, 8 und 10 kHz untersucht. Bei Stichprobe 2 umfaßte der Geräuschsatz die zehn Frequenzen .1, .25, .5, 1, 2, 3, 4, 6, 8 und 1 0 kHz. Während bei Stichprobe 1 die je Frequenz fünf Schallpegel individuell zwischen der Hörschwelle und dem frequenzspezifischen Maximalpegel, der in Vorversuchen als "sehr laut" ermittelt wurde, eingepaßt wurden, erhielten in Stichprobe 2 alle Pbn je Frequenz die gleichen Schallpegel. In beiden Stichproben deckte das Testgeräuschangebot den ganzen Lautheitsbereich zwischen "sehr leise" und "sehr laut" ab.


Die bei jedem Pb je Testfrequenz gemessene Hörschwelle diente als Kriterium, um Datensätze auszuschließen, denen ein beginnender Hörverlust zugrundeliegen könnte. Deutlich außerhalb der Verteilung liegende Hörschwellen fanden sich in 43 von 1274 Fällen (3.4%). Die zugehörigen Lautheitsdaten wurden eliminiert.


Um kollektive Lautheitsfunktionen zu gewinnen, wurde je Testfrequenz an die individuellen Lautheitsdatenje Stichprobe die von Nowak (1990) vorgeschlagene Funktion

abweichungsquadratminimierend angepaßt (L: Lautheitseinstufung, A: Skalenfaktor, S: Signalintensität, N. effektive Hintergrundintensität, c und n: zwei weitere Konstanten, die die Steilheit der Funktion bestimmen; als S und N wurden die Vielfachen der Referenzintensität ein- bzw. angesetzt). Diese Funktion modelliert die Lautheitsdaten einer Untersuchung mit feingestuftem Pegelsatz (2 I Pegel) deutlich besser als die bisher eingesetzte, ebenfalls von Nowak angegebene Fechner-Funktion L = c log (1 + SIR), die die Intensität eines maskierenden Rauschens berücksichtigt. (L: Lautheitseinstufung, c: Skalenfaktor, S. Signalintensität, R:

effektive Hintergrundintensität). Da die untersuchten Lautheiten "sehr laut-45" kaum überschreiten und somit der Parameter A, in den L bei extrem hohen Schalldrücken assymptotisch übergeht, nicht präzise bestimmt werden kann, setzten wir bei allen Anpassungen A auf den Wert 60, den Nowak als Totallänge für die 50stufige, oben offene KU-Skala empirisch ermittelte.

Abbildung 1: Kollektive Lautheitsfunktionen der Stichprobe 2 bei .25 und 4 kHz; kollektive Hörschwelle, kollektive Mittelwerte und Standardabweichungen der Lautheitseinstufungen, angepaßte NowakFunktion,


Abbildung 1 zeigt als Beispiel die kollektiven Lautheitsfunktionen der Stichprobe 2 (interindividuell gleiche Schallpegel) zu den Frequenzen .25 und 4 kHz. Es ist ersichtlich, daßsich anhand der angepaßten Funktion die Daten gut interpolieren lassen. Dies trifft auch für die nicht gezeigten kollektiven Funktionen der Stichprobe 1 mit interindividuell variablem Pegelsatz zu. Außerdem wird deutlich, daß die Streuungen der Lautheitseinstufungen mit zunehmender Frequenz steigen. Aus dem Funktionensatz jeder Stichprobe wurden die Isophonenscharen berechnet. Die Kurvenscharen stimmen weitgehend überein. Größere Abweichungen liegen bei 500 Hz und 10 kHz, außerdem bei sehr lauten Pegeln vor.


II - 11.4 Validierung

In den bisher vorliegenden Untersuchungen zur Lautheitsskalierung wird vor allem Wert auf die Reliabilität des Verfahrens gelegt, also die Frage nach dem variablen Fehler gestellt. Entscheidend ist jedoch die Frage: Wie unverzerrt bildet die Lautheitsskalierung das HörvermÖgen des Pb ab (Frage nach systematischen Fehlern)? Ein Kriterium ist die Psychophysik des Phänomens "gleich laut", das den im Konstanzverfahren bestimmten Isophonen zugrundeliegt. Führen die kategorialen Lautheitsbeschreibungen zu den gleichen Isophonen, wenn man zu gegebener Lautheit (z.B. sehr leise 5, leise 15 etc.) die isophonen Schallpegel für die einzelnen Testfrequenzen berechnet? Um dies zu prüfen, haben wir die Isophonenscharen beider Stichproben gemittelt (zuvor wurden die Pegelwerte der fehlenden Frequenzen in Stichprobe 2 interpoliert) und zeigen das Ergebnis im V ergleich mit den Isophonen, die Robinson & Dadson (1956) mit binaural gebotenen Sinustönen ermittelten, in Abbildung 2. Die für den gemittelten Isophonensatz berechneten Konstanten der Nowak-Funktionen enthält Tabelle 1. Die hörfeldaudiometrischen Isophonen weichen zwar vor allem oberhalb von 3 kHz von den "gleich-laut"-Isophonen ab und sind im "Sehr-laut"-Bereich deutlich flacher. Die frequenzabhängige Empfindlichkeit des Gehörs tritt jedoch auch in der hörfeldaudiometrischen Isophonenschar klar in Erscheinung. Es bleibt überdies zu klären, worin die systematischen Unterschiede zwischen beiden Kurvenscharen ihre Ursache haben. Die Untersuchungen unterscheiden sich in Stichprobe, Testgeräuschen (SFMS vs. Sinus) und Darbietungsart (mon- vs.binaural). Wie zudem die Untersuchungen von Gabriel et al. (1995) zum Ausschnitteffekt beim Konstanzverfahren zeigen, dürfen die Isophonen von Robinson & Dadson nicht unkritisch als Referenz angesehen werden. Für die Normierung der Hörfeldaudiometrie läßt sich feststellen, daß Normalhörige 30 Phon als "sehr leise", 55 Phon als "leise", 70 Phon als "mittel " , 83 Phon als "laut" und 96 Phon als "sehr laut" wahrnehmen, wenn der Schall monaural geboten wird.

Abbildung 2: Hörfeldaudiometrisch monaural bestimmte Isophonen und Isophonen nach Robinson & Dadson (1956, binaural gebotene Sinustöne).


Tabelle 1: Konstanten c, n und dB(N)=10 log (N) der Nowak-Funktionen, die an die über die Stichproben gemittelten monauralen Isophonendaten (Hörschwelle, Isophonen KU 5.5, 10.5, 15.5 ... 50.5) mit der Methode der kleinsten Fehlerquadrate angepaßt wurden, Hörschwelle (HS).


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II - 11.5 Literatur:


Boretzki, M., Heller, O., Knoblach, W., Fichtl, E., Stock, A., Opitz, M. (1994): Untersuchungen zur Reliabilität und Sensitivität der Hörfeldaudiometrie. In: F ortschritte der Akustik, Plenarvorträge und Fachbeiträge der 20. Gemeinschaftstagung der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Akustik, DAGA 1994, Dresden.


Fichtl, E. (1996): Arbeitstitel: Urteilseffekte bei der Hörfeldaudiometrie. Inauguraldissertation, Universität Würzburg (in V orbereitung).


Gabriel, B., Kollmeier, B., Mellert, v. (1995): Kontexteffekte bei der Bestimmung der Kurven gleicher Pegellautstärke. In: Fortschritte der Akustik, 21. Deutsche Jahrestagung für Akustik, Kolloquien, Plenarvorträge und Fachbeiträge, DAGA 1995, Saarbrücken.


Hellbrück, J., Moser, L. (1985): Hörgeräteaudiometrie: Ein computergestütztes psychologisches V erfahren zur Hörgeräteanpassung. Psychologische Beiträge 27, 494-508.


Heller, O. (1982): Theorie und Praxis des V erfahrens der Kategorienunterteilung (KU). In: O.

Heller (Hrsg.), Forschungsbericht 1981. Würzburg: Psychologisches Institut, Lehrstuhl für Allgemeine Psychologie, S. 1-15.


Heller, O. (1985): Hörfeldaudiometrie mit dem Verfahren der Kategorienunterteilung (KU). Psychologische Beiträge 27, 509-519.


Heller, O. (1991): Orientated Category Scaling of Loudness and Speechaudiometric Validation. In: A. Schick, J. Hellbrück, R. Weber (Eds.): Contributions to Psychological Acoustics V.

Results fo the Fifth Oldenburg Symposium on Psychological Acoustics. Bibliotheks- und Informationssystem der Universität Oldenburg, S. 135-159.


Nowak, T. (1990): Loudness scaling based on Fechner's idea. In: Müller, F. (Hrsg.), Fechner Day 90, Proceedings of the Sixth Annual Meeting of the International Society for Psychophysics. Würzburg, S. 140-145.


Parducci, A., Perrett, L.F. (1971): Category rating scales: effects of relative spacing and frequency of stimulus values. Journal of Experimental Psychology Monograph, 89, 427-452.


Robinson, D.W., Dadson, M.A. (1956): A re-determination ofthe equal-loudness relations for pure tones. British Journal of Applied Physics, 7, 166-181 .


Witte, W. (1960): Experimentelle Untersuchungen von Bezugssystemen. I. Struktur, Dynamik und Genese von Bezugssystemen. Psychologische Beiträge, 4, 218-252.


Witte, W. (1966): Das Problem der Bezugssysteme. In: K. Gottschadt, F. Sander, Ph. Lersch, H. Thomae (Hrsg.), Handbuch der Psychologie in 12 Bänden, Bd. I 1, Erkennen und Wahrnehmen. Göttingen, S. 1003-1027.


Witte, W. (1975): Zum Gestalt- und Systemcharakter psychischer Bezugssysteme. In: S. Ertel, L. Kemmler, M. Stadler (Hrsg.), Gestalttheorie in der modernen Psychologie. Darmstadt: Steinkopff, S. 76-93.


Ende des Originaltextes