Messen - Hintergrundinformationen
Vorheriges Thema  Nächstes Thema 

Mit unserer aktuellen ACAM haben Sie ein mächtiges Tool in der Hand! Die Hard- und Software befindet sich inzwischen in der 5. Generation!

Um dieses mächtige Tool auch korrekt anzuwenden sind einige Informationen rund um das Messen notwendig.

Wir haben uns bei ACAM bemüht eine Technik und eine Software zu liefern, mit deren Hilfe Sie viel viel mehr über die Wirkungsweise eines Hörgerätes erfahren können.

Grundvoraussetzung allerdings ist, dass Sie einige wenige Grundkenntnisse über die verwendeten Verfahren erlangen. Diesen Zweck sollen die folgenden Ausführungen haben.


Generell:

Die in der IEC 118 (=EN 60118) festgelegten Verfahren zum Messen von Hörgeräten reichen heute nicht mehr aus, um ein Hörgerät modernster Bauart zu messen. Die Norm wurde in den 50er Jahren verfasst, als digitale Signalverarbeitung noch nicht etabliert war und erst Recht nicht in Hörgeräten. Erst in den 80er Jahren, als die Mikroelektronik sehr schnelle Fortschritte machte, geriet diese Technik für Hörgeräte in erreichbare Nähe. Die Faszination, die für alle Beteiligten von der Digitaltechnik ausgeht, ist bis heute ungebrochen. Der Hardwareentwickler muss sich nämlich nicht mehr mit der analogen Umsetzung einer audiologischen Idee befassen, sondern ausschließlich der Softwareentwickler. Alle Probleme der Signalverarbeitung sind damit auf die mathematische Ebene gerückt. Dies bietet ungeahnte Möglichkeiten und macht Hörgeräte möglich, von denen früher nicht zu träumen war.

Diese neuen Möglichkeiten wurden in vollem Umfang genutzt. Die Grenzen bestehen nur in der Leistung und dem Speicher, den die Hardware zur Verfügung stellt. Mit diesen neuen Möglichkeiten ist die altbewährte Norm aber leider völlig überfordert.

Trotzdem -  Norm muss sein! Nur unter Anwendung einer einheitlichen Vorschrift (=Norm) können die Ergebnisse verglichen werden.

Wir unterscheiden zwei unterschiedliche Messstrategien. Einerseits die Messstrategie zur Qualitätssicherung, andererseits die Messung zum Zweck der Hörgeräte Anpassung. Diese Ansätze unterscheiden sich erheblich. Zur Qualitätssicherung ist es notwendig die Normen weiterhin anzuwenden. Eine Sicherheit, ob die Ergebnisse stimmen und mit denen des Herstellers übereinstimmen gibt nur die Norm. Um also zu überprüfen, ob ein Hörgerät den angegebenen Leistungsdaten entspricht muss die Norm herhalten. Das gibt Ihnen die Sicherheit, dass das was Sie vergleichen unter identischen Bedingungen ermittelt wurde. Bei der Hörgeräte Anpassung allerdings ist der Sachverhalt ein völlig anderer. Hier möchten Sie die ermittelten Daten in Bezug zu den audiologischen Kenndaten bringen. Der Bezug, den Sie benötigen ist in erster Linie der Schwerhörige. Allerdings ist auch hier eine Norm wünschenswert, um die Daten reproduzierbar und zwischen verschiedenen Systemen austauschbar zu machen.


Messverfahren (FFT und RMS):

In der Norm sind Abläufe beschrieben, wie ein Hörgerät zu messen ist. Diese Verfahren können mit ACAM selbstverständlich angewendet werden. Das dort vorgeschriebene Verfahren ist das RMS Verfahren (siehe auch: Messverfahren und deren Besonderheiten (FFT und RMS)). Das Verfahren ermittelt „einen“ Messwert, den das Hörgerät zum Zeitpunkt der Beschallung abgibt. Ungeachtet des verwendeten Signals kann immer nur der Gesamtpegel ermittelt werden. Deshalb wird in der Norm auch die Messung mit Sinuston vorgeschrieben. Das macht auch Sinn, denn lineare Systeme verhalten sich beim Sinuston genauso, wie bei Sprache oder anderen komplexen Signalen.

Um jedoch mehr zu erfahren, bietet sich ein anderes Auswerteverfahren an. Das FFT-Verfahren (siehe auch: Messverfahren und deren Besonderheiten (FFT und RMS)). Mit diesem Verfahren nämlich können Sie immer „alles“ auswerten, was in dem Messsignal enthalten war. Sie erhalten sozusagen neben dem Gesamtpegel auch den Pegel aller Frequenzen, die in dem Signal vorkommen. Diese Eigenschaft prädestiniert dieses Verfahren zur Messung komplexer Eigenschaften an Hörgeräten. Mit dem Nachteil, dass es nicht der Norm entspricht.


1-Kanal FFT und 2-Kanal FFT:

Im ACAM Messbox Setup (Lasche Messung) ist es möglich zwischen 1- und 2-Kanal FFT zu wählen.

Normalerweise werden alle Messungen mit der 2-Kanal FFT durchgeführt. Bei Messungen mit Sinuston kann es aber sinnvoll sein die 1-Kanal FFT zu verwenden.

Bei der 2-Kanal FFT wird eine FFT auf beide Mikrofone gerechnet. Wenn nun die Ergebnisse voneinander subtrahiert werden, bleibt die Verstärkung übrig. Der absolute Wert der FFT rückt in den Hintergrund. Nur die Differenz zwischen Eingang und Ausgang des Messobjekts wird ausgewertet bzw. weiterverarbeitet. Als Formel ausgedrückt bedeutet dies:

Ergebnis = Kupplerwert Reglerwert + Eingangspegel

Aus diesem Grund ist es auch sehr wichtig, dass immer beide Mikrofone einwandfrei funktionieren. Wenn eines der Mikrofone falsch misst, ist “ das Ergebnis immer falsch!

Wenn Sie nun aber mit Sinuston messen, möchten Sie eventuell auftretende Oberwellen sehen. Schalten Sie dann auf 1-kanalige FFT um, um exakt die Frequenzen zu sehen, die im Signal enthalten sind. Würden Sie kein Hörgerät in die Messkammer legen und die 2-Kanal FFT verwenden, erhielten Sie auch beim Sinuston eine gerade Linie, weil die „Differenz“ der beiden Mikrofone immer noch „0“ betragen würde (der Sinus wirkt ja auf beide Mikrofone).


Merke:
Immer wenn Sie komplexe Signale in ACAM verwenden, die eine Vielzahl von Frequenzen enthalten, müssen Sie die 2-Kanal FFT anwenden um exakte Ergebnisse zu erhalten (andernfalls wäre das Ergebnis mindestens 30dB zu leise).
Immer wenn Sie mit Sinuston arbeiten, müssen Sie die 1-Kanal FFT anwenden.


Achten Sie im ACAM Messbox Setup (Lasche Messung) immer auf die korrekte Einstellung!


Besonderheiten beim Messen mit Sinuston:

Sofern im ACAM Messbox Setup die Option „FFT läuft mit“ eingeschaltet ist, wird zu dem in der Norm vorgeschriebenen RMS Wert zusätzlich eine FFT gerechnet. Diese FFT beinhaltet neben der Anregungsfrequenz (=1.Harmonische) auch alle anderen Frequenzen, die durch das Hörgerät erzeugt wurden (z.B. durch Verzerrungen).Ist diese Option aktiviert, können Sie sich die ermittelten Werte im Frequenzdiagramm anzeigen lassen.


Abb.: Messung Summenpegel und 1.Harmonische


Im obigen Beispiel sind zwei zunächst identisch erscheinende Kurven abgebildet. Und doch gibt es einen Unterschied!

Die Linke Kurve zeigt den „Summenpegel“, also den Gesamtwert (oder RMS Wert), der im Kuppler ermittelt wurde. In diesem Wert enthaltene andere Frequenzen als der Eingangssinus sowie Rauschen werden in das Messergebnis eingehen. Die Regel besagt, dass alles was auf das Messmikrofon einwirkt, gemessen wird. Es ist gut erkennbar, dass die Kurve bei 70dB in die Waagerechte übergeht, weil dann das Eigenrauschen oder der Umgebungslärm größer ist als der Sinuston, mit dem das Gerät gemessen wurde.

Im rechten Beispiel sehen Sie hingegen die 1.Harmonische, die aus der FFT ermittelt wurde. Es wurden also alle Frequenzen unter- und oberhalb des Eingangssinustons abgeschnitten. Zu verstehen wie ein Durchlassfilter, der nur die Messfrequenz durchlässt. Es ist sehr gut erkennbar, dass die Kurve nicht wie zuvor in die Waagerechte übergeht, sondern stetig zu geringen Pegeln hin weiter verläuft. Deshalb ist diese Messung aber nicht genauer. Sie blendet nur die ungewollten Frequenzen aus und macht somit die Messung etwas robuster gegenüber Störlärm. Aber: Sie entspricht nicht mehr der IEC Norm.

Die FFT liefert natürlich nicht nur die 1. Harmonische, sondern alle Oberwellen des Gerätes.

Abb.: Summenpegel, Summe aller Oberwellen und (gestrichelt) der Klirrfaktor in %.

Diese Oberwellen geben Aufschluss darüber, wie stark das Gerät bei welcher Frequenz Verzerrungen produziert.

Im obigen Beispiel einmal als Pegelwert (=mittlere Kurve) der Summe aller Oberwellen und in der gestrichelten Linie als Klirrfaktor in %. Der Klirrfaktor und die Oberwellen sind ein wichtiges Maß für die Qualität der Übertragung. Sie steigen expotentiell an, je weiter der Schalldruckpegel an die Sättigung (=Maximum) gelangt.




Besonderheiten beim Messen mit komplexen Signalen:

Die FFT, die beim Auswerten komplexer Signale angewendet wird, hat den besonderen Vorteil, dass die Messung erheblich schneller geht, als dies mit Sinuston der Fall ist. Auch sprachähnliche Strukturen können durch die FFT geschickt werden und bieten ein exaktes Bild dessen, was durch das Hörgerät verändert worden ist.

Abgekürzt könnte man also sagen komplexe Signale in Verbindung mit FFT funktionieren immer und am besten.

Nun muss natürlich eine Korrelation (=Zusammenhang) zwischen der Messung mit komplexen Signalen und der Messung mit Sinuston bestehen. Bei einem Hörgerät ohne jegliche Regelung und ohne jede sprachsensitive Verarbeitung sollten die Messungen allesamt übereinstimmen, ungeachtet ob Sinuston, Rauschen, CHIRP oder ein beliebiges anderes Signal. Die Verstärkung des Gerätes ist ja konstant und kein Parameter wird dazu führen, dass sich diese ändert. Und genau so ist es auch! Aber ein ganz kleiner Unterschied ergibt sich doch! Nämlich dann, wenn Sie das Gerät in der Sättigung betreiben. Also dann, wenn sehr viele Verzerrungen auftreten. Bei der Messung mit Sinuston gehen die Oberwellen in das Ergebnis des Anregungstones ein. Wenn das Gerät also bei 250Hz 100% verzerrt, erhöht sich der Schalldruckpegel für 250 Hz um 6dB. Und dies obwohl die Frequenzen für diese Verzerrungen oberhalb dieser 250Hz liegen (nämlich bei ganzzahligen Vielfachen der Anregungsfrequenz also bei 500,750,1000,1250 usw.).

Bei komplexen Signalen wird das Gerät genauso verzerren, doch die Auswertung gibt immer die Summe der Pegel aller Frequenzen aus, die während des Messens aufgetreten sind. Dies bedeutet, dass die Oberwellen, die bei geringer Frequenz auftreten im oberen Frequenzbereich der Messung zu einem höheren Messwert führen.

Daraus folgt, dass die Messung mit komplexem Signal dann deckungsgleich mit dem Sinus verläuft, solange keine oder geringe Verzerrungen auftreten. Je stärker die Verzerrungen sind, desto mehr wird das Gerät in den oberen Frequenzen vom Sinuston abweichen. Bei Hörgeräten, die bekanntlich sehr stark verzerren, können so leicht Differenzen von 6-12dB auftreten.